sozialSPOTT
vom 11. November 2008
In der neusten Ausgabe der Zeitschrift für Theaterpädagogik fanden
wir zum Thema Künstlersozialkasse einen interessanten Artikel. Nach
langem und zähem Verhandeln erlaubte uns der Autor, welchselber mir
persönlich bekannt ist und eigentümlich vorkommt, einen Abdruck,
nachdem er bei mir eine Zigarette geschnorrt hatte, obwohl in dem Café
das Rauchen untersagt ist:
g.h.
Künstlersozialkasse und Kunstpädagogik
Wer als im weiten Feld
der pädagogischen Tätigkeit mit Kunst Schaffender noch nichts
mit der Künstlersozialkasse zu tun, hat sich sicherlich einiges erspart.
Wer schon damit zu tun hatte, wird einiges zu erzählen haben und
vieles davon ist eher unerfreulich. Nun ist es nicht in die Beliebigkeit
dieser Menschen gestellt, sich mit dieser Institution beschäftigen
zu müssen. Es ist nicht nur mir bekannt, dass Theaterpädagoglnnen,
auch allgemein Kunstpädagoglnnen, nicht zu den Spitzenverdienern zählen.
Die Honorarsätze in diesem Bereich sind in der Regel lächerlich
gering, manchmal eher menschenunwürdig. Und die Krankenkassenbeiträge
für Selbstständige sind immens, egal ob bei gesetzlichen oder
privaten Kassen. Von der Rentenversicherung will ich hier erst gar nicht
anfangen zu sprechen ...
Die einstige sozialliberale Bundesregierung hat das Ende der siebziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts auch erkennen müssen und beschloss 1982
das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Und weil ein Gesetz eine
Behörde braucht, schuf sie in Wilhelmshaven die Künstlersozialkasse
(KSK). Vereinfacht hat diese KSK die Aufgabe, selbstständigen Künstlerinnen
und Publizistinnen finanziell die Möglichkeit zu geben, sich in der
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (KV, PV, RV) zu zahlbaren Beiträgen
zu versichern. Sie zahlen über die KSK 50 % ihrer Beiträge selbst,
die anderen 50 % werden aufgebracht durch einen Bundeszuschuss und die Erhebung
der Künstlersozialabgabe (KSA) bei Vermarktern, d. h. bei Unternehmen
oder Institutionen, die regelmäßig bzw. mehr als gelegentlich
Künstlerinnen gegen Honorar beschäftigen. Das KSVG gilt also nicht
für die, die ihr Geld abhängig, also auf Lohnsteuerkarte, verdienen!
Besondere Bedeutung erlangt die KSK dadurch, dass seit der letzten Stufe
der Gesundheitsreform" ab dem l. April 2007 in Deutschland die
allgemeine Krankenversicherungspflicht gilt. Die KSK selbst ist keine Krankenkasse,
man ist auch nicht bei ihr versichert; sie ist die Behörde, die die
Versicherungspflicht (!) nach dem KSVG feststellt, die Beiträge der
Versicherten einzieht und die Sozialversicherungsträger weiter leitet.
Zum KSVG wurde in einer Durchführungsverordnung" (KSVGDV)
ein Katalog aller selbstständigen künstlerischen und publizistischen
Berufe erstellt, in dem sich auch der Theaterpädagoge"
befindet. Also ist alles ganz einfach, man schreibt nach Wilhelmshaven und
zahlt dann den günstigen Versicherungstarif. So war es mal (gedacht),
aber irgendwann in Zeiten der knappen öffentlichen Kassen hat irgendein
Bundesfinanzminister festgestellt, dass 20 % (früher 25 %) Bundeszuschuss
zu den Beiträgen keine Peanuts" mehr sind - bei steigenden
Zahlen der Anspruchsberechtigten. Waren über die KSK Ende der
80er Jahre etwa 20.000 Menschen versichert, sind es aktuell um die 150.000.
Um den Zuschuss in Grenzen zu halten bzw. zu reduzieren, wurden die
Zügel angezogen", also strenger der Zugang zur KSK geprüft
und nach und nach in einzelnen Bereichen die künstlerische Tätigkeit
immer enger definiert. Dazu gehören insbesondere die - allgemein -
kunstpädagogischen Berufe! Da der Kunstkatalog der KSK sehr unspezifiziert
formuliert ist und die KSK selbst nach gängiger Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) weder zu definieren hat, was Kunst ist oder ob
Kunst gut oder schlecht ist, kommt Urteilen der Sozial-, Landessozial- und
Bundessozialgerichte zunehmende Bedeutung zu.
Für kunstpädagogische Berufe geht es vor allem um die Abgrenzung
zwischen einer künstlerischen gegenüber z. B. einer therapeutischen,
rein" pädagogischen oder gar sportlichen Tätigkeit.
Entscheidend ist hier nicht Ausbildung und/oder Selbsteinschätzung,
sondern die Tätigkeitsbeschreibung.
Hat sich mensch durch den immerhin sechsseitigen Antrag durchgekämpft
und hoffentlich alles richtig angekreuzt, kommt es entscheidend auf die
einzureichenden Unterlagen an. Aus unserer langjährigen Beratungspraxis
wissen wir zur Genüge, dass die meisten Ablehnungen auf falsche"
Unterlagen zurück zu führen sind.
Es würde zu weit führen, hier alle eventuellen Fälle aufzuführen
und auch nicht alle Definitionsgrauzonen sind inzwischen juristisch geklärt;
es lassen sich aber aus Rechtsprechung und KSK-Praxis Richtungen erkennen:
So gilt mittlerweile die Vor- bzw. Nachbereitung eines Theaterbesuchs
als eher pädagogische Tätigkeit, ebenso die Gestaltung von Workshops
mit dem Schwerpunkt Theaterspiel. Die Arbeit mit sozial auffälligen",
kranken und/oder behinderten Menschen wird unter therapeutischer Tätigkeit
geführt.
Kriterien für eine künstlerische Ausrichtung sind z. B. Entwicklung
und Konzeption einer Inszenierung, die dann auch aufgeführt wird, die
theaterpädagogische Mitwirkung an Theaterinszenierungen bzw. die Entwicklung
eines eigenen Stücks, die Arbeit mit Menschen, die sich auf einen
Bühnenberuf, ein Studium oder eine Ausbildung vorbereiten, sich in
einem solchen weiterbilden wollen oder sich auf Vorsprechrollen, Castings
etc. vorbereiten. Wer bei der KSK einmal abgelehnt wurde, hat zwar die Möglichkeit,
jederzeit einen neuen Antrag zu stellen, aber dieser wird sehr viel strenger
geprüft als ein Erstantrag und dann müssen die Unterlagen (Verträge,
Bescheinigungen, Tätigkeitsbeschreibungen etc.) absolut wasserdicht
sein. Es kommt dabei auf bestimmte Formulierungen, mitunter einzelne
Wörter an, die zwischen einem positiven und negativen Bescheid entscheiden.
Wer sich damit nicht auskennt, steht auf verlorenem Posten. Ich habe aber
nicht vor, jemanden jegliche Hoffnung zu nehmen; ich will im Gegenteil dazu
ermutigen, auf jeden Fall diese Prozedur durchzustehen.
Vorrangig ist, sich mit Umsicht einen Menschen, eine Institution,
Verein oder Verband zu suchen, deren Kompetenz in Sachen KSK bzw. KSVG nicht
bloß aufs Hörensagen" beschränkt ist und vor
der Antragstellung Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Vorsicht geboten ist bei bestimmten kommerziellen" Beratungsanbietern,
die nicht nur teuer, also ihren Preis nicht wert sind, sondern oft auch
die notwenige individuelle Betreuung vermissen lassen oder versuchen, Versicherungen
aufzuschwatzen, die niemand braucht.
Vorsicht ist auch geboten bei Ich habe gehört, dass ..."-Sätzen.
Es gibt kaum ein Thema, bei dem so viel Blödsinn herumgeistert wie
zur KSK. Was für die eine, vielleicht noch vor Jahren, gegolten haben
mag, muss noch lange nicht für heute gelten.
Aus guten Gründen warnen wir auch davor, telefonisch Rat bei
der KSK selbst zu suchen. Wenn die Auskünfte aus solch einem Telefont
auch nicht falsch sein müssen, klingen sie doch oft irreführend
bzw. verwirrend, weil Sachbearbeiter eine andere Sprache sprechen als Künstler.
Dasselbe gilt auch für die Ausfüllhinweise",
die die KSK den Antragsunterlagen beifügt, die immerhin dreizehn Seiten
lang und für Laien schwer verständlich sind (im Internet unter
www.kuenstlersozialkasse.de).
Wie auch immer die Antragstellung angegangen wird: Auf keinen Fall
einschüchtern lassen! Das gilt vor allem, wenn eine heute obligatorische
Nachfrage der KSK kommt, die einem jeden Mut nehmen kann, oder bei einem
ablehnenden Bescheid. Auf jedem Fall Widerspruch - und zwar fristgerecht
- einlegen. Rat und Hilfe suchen!
In jeder Phase der Antragstellung auf telefonische Debatten mit der
KSK verzichten! Erstens sind sie unverbindlich, zweitens könnte
einem doch eine Information herausrutschen, die man lieber nicht gegeben
hätte und drittens ist die KSK verpflichtet, alle sachlichen Belange
schriftlich mitzuteilen.
Gerd Hunger
[Anmerkung der Redaktion]
Der Autor ist Geschäftsführer von SPOTT Berlin e. V, einem Selbsthilfeprojekt
von Berliner Off-Theatern (www.spott-berlin.de,). SPOTT bietet individuelle
Betreuung und Beratung bei KSK-Anträgen an.
Kontakt: buero@spott-berlin.de.
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Ich bedanke mich bei dem Kollegen Gerd Hunger für diesen Beitrag .
Quelle Newsletter sozialSPOTT 11.11.2008